TANZNETZ. 

 

Die Liebe finden

Das Staatsballett Hannover mit „Du bist so schön“

 

RENATE KILLMANN

HANNOVER, 06/02/2024

 

 (...) " In der aktuellen Produktion „Du bist so schön“ sind drei verschiedene weibliche Handschriften zu erleben: den Anfang macht die in Deutschland lebende Portugiesin Liliana Barros mit „Archium“. Der Titel (Archiv) verweist auf etwas, das alle Lebewesen – vom kleinsten Organismus bis hin zu uns Menschen – durch eine zentrale Erbinformation verbindet. Auf dieses Verbindende zu schauen, ist das Anliegen von Liliana Barros.

Auf der mit drei riesigen Operafolien eingegrenzten Bühne befindet sich ein metallisches Objekt, das die Choreografin wie eine uralte DNA-Struktur der Menschheit interpretiert. Auf diesem Gerüst sitzt und hängt die Compagnie wie eine lebendige Gruppe, Wesen zwischen Mensch und Tier. Ihre neongrünen Ganztrikots zusammen mit phosphoreszierenden Lichteffekten schaffen eine futuristische Atmosphäre. (Die eindrückliche Beleuchtung stammt von Tanja Rühl). Ganz langsam kommen sie in Bewegung, krabbeln, kriechen, zucken und entwickeln einen faszinierenden Tanz, der sich aus einer Verbindung von archaischen, animalischen und tänzerischen Motiven ergibt. Dies zu einer beeindruckenden elektronischen Soundcollage von Martin Mitterstieler, die im Probenprozess entstanden ist und hier zusammen mit der Choreografie ihre Uraufführung erlebt. Das Publikum wird hineingezogen in einen kollektiven, mysteriösen Tanz von großer Intensität. Es entsteht ein faszinierendes Tableau von einer Art Schwarmintelligenz, die unserer Spezies das Überleben sichert. Ein sehr artifizielles, gelungenes Projekt! " (...)

Photo: Carlos Quezada©

https://www.tanznetz.de/de/article/2024/das-staatsballett-hannover-mit-du-bist-so-schoen


WELTEXPRESSO

Eigenartige Traumbilder

 

Zwei zeitgenössische Variationen von "Dornröschen"  

 

 von Hanswerner Kruse

 

"Auf der schneeweißen Bühne schlängelt sich eine schwarzglänzende Gestalt aus einem silbrigen Behältnis. Sie windet, verschlängelt, verbiegt sich, stakst in bizarren Bewegungen zu Industrial-Klängen oder Neuer Musik umher und wird schließlich durch eine riesige, weiß gewandete Figur mit Baby, von der Rampe gezerrt. Mehr und mehr strahlendweiße Tänzer und Tänzerinnen erscheinen und vollführen irrsinnige akrobatische Bewegungen. Sie wirken wie Gummimenschen mit starren Puppenaugen, die nach einiger Zeit vergeblich versuchen, synchrone Bewegungen zu vollführen oder sich einander anzunähern.

Eigenartige Traumbilder entstehen, Szenarien, die man so noch niemals im Tanztheater gesehen hat. Sie alleine sind den Besuch dieses Doppeltanzabends wert. Mit weiteren verschiedenen Bildgruppen entführt uns die portugiesische Choreografin Liliana Barros in „100 years 100 hearts“ durch fremde unwirkliche Welten. Die sieben Szenen beziehen sich auf Symbole des einst wilden Märchens, das im Laufe seiner Verbreitung stark gezähmt wurde. Ungezügelte, ja böse Unterströmungen der Erzählung werden durch die Compagnie wieder freigelegt.

Aber es gibt auch sanfte Bilder, die Zwillinge die sich aneinander in Schnüren gebunden hin- und herwiegen, Menschenskulpturen in verhüllenden Tüchern. Die Tanzenden paraphrasieren unsagbare Ereignisse mit ihren Körpern: „Dennoch bleibe ich in meiner Kreation abstrakt, visuell, atmosphärisch, intuitiv, archaisch – um den Raum für Assoziationen zu öffnen“, meint die Choreografin."

 

Foto: © Sylwester Pawliczek

https://weltexpresso.de/index.php/kulturbetrieb/26903-eigenartige-traumbilder

 


WAZ

Tanzcompagnie begeistert

 

Im musiktheater im revier erkunden "Adam & Eve" eine futuristische Welt jenseits der Menschheit. Das Spiel mit Klischees trifft auf einhelligen Jubel

von Elisabeth Höving

 

Auf allen vieren Kriechen seltsame Kreaturen insektengleich über den Boden. Mit langgestreckten Armen und Beine erkunden sie vorsichtig den dunklen Raum. Endzeitstimmung im Kleines Haus des Musiktheaters im Revier: Gelsenkirchen beteiligte sich am Ruhrbühnen-Festival "Zehn X Freiheit" mit der dreiteiligen Produktion " Adam & Eve", für die einheiligen Jubel gab.

Die portugiesische Choreographin Liliana Barros und Ihre israelischer Kollege Roy Assaf erkunden mit den athletisch durchtrainiert Tänzerinnen und Tänzern der MiR Dance Company eine Welt jenseits des Paradieses. Das gelingt besonderes eindrücklich im Prolog "PANORAMA" von Barros. Die Bühne, leer, düster, mit offenen Türen, dient als Projektionsfläche für einen von den Menschen verlassenen Ort, den sich verlorene animalische Wesen in futuristische leuchtenden Neon-Leibchen tastend neu erobern. 

Die einzige, traurige Erinnerung an den Menschen sind bunte Plastikmüllberge, mit denen die posthumane Welt spielerisch umzugehen versucht.

Der Belgier Brecht Bovijn bewegt sich anmutig elegant in einem Riesenkleid aus Wohlstandsabfall, aus dem er irgendwann wie aus einem Kokon herauskriecht.

Die Kostüme, für die ebenfalls die Choreographin verantwortlich zeichnet, setzen Farbtupfer in einer verlassenen Welt. Die Tänzer tragen farbige Netzte über den Gesichtern, wenn sie anfangs animalisch ( wie eine elegante Raubkatze schleicht Eunji Yang beeindruckend am Bühnenrand entlang) und allein über den Boden gleiten, sich zur elektronisch bedrohlichen Musik von Alva Noto ein neues Universum erschaffen. "PANORAMA" ist ein magischer-poetischer, überaus reizvoller Ausflug.

 

01.11.2021

 

photo: Bettina Stoess

 


Braunschweigischer Zeitung

 

Samstag, 2. Oktober 2021 

 

Körper aus einer anderen Zeit 

„Techno Fauna“ fragt, wie sich Menschen in einer düsteren Zukunft bewegen. 

 

Von Lukas Dörfler

 

Wie bewegen wir uns in der Zukunft, wenn die Menschheit sich weiterentwickelt hat? Ein weißer Tanzboden, drei schwarze Würfel, aus denen Metallstangen wie futuristische Pflanzen wachsen, dazu zwei Tänzerinnen, Amie Blaire-Chartier und Laura Cornejo, ein Tänzer, Cristian Cucco, und Beats und sphärische Klänge von Martin Mitterstieler – mehr braucht Liliana Barros nicht, um in ihrem neuen Tanzstück „Techno Fauna“ über diese Fragen nachzudenken. Es feierte am Donnerstag im LOT-Theater in Braunschweig Premiere. 

Das Bühnenbild wirkt wie ein fremder, karger Planet. Die Tänzerinnen und der Tänzer hocken vor ihren metallenen Pflanzen, werfen einen langen Blick ins Publikum. Doch was sagt ihr Blick? Wundern sie sich über die Eindringlinge, nehmen sie uns überhaupt wahr? Sind sie nachdenklich oder einfach emotionslos? Den gleichen Blick werfen sie sich gegenseitig zu, als sie sich kurze Zeit später in der Bühnenmitte treffen. Sie sacken auf dem Boden zusammen. 

Tiefe Beats setzen ein, die Tänzer beginnen sich zu bewegen, zu verrenken–extrem langsam und extrem kontrolliert, dann werden sie schneller. Ihre Bewegungen scheinen mal mechanisch, mal flüssig, aber weit weg von Menschlichem. Am ehesten erinnern sie an Wesen aus einer anderen Zeit oder von einem anderen Planeten–passend zu dem Bühnenbild. 

Das ganze scheint perfekt durch choreografiert. Auch wenn jeder für sich tanzt, wissen sie genau, was die anderen gerade machen. Es ist, als würde man einem Ritual zuschauen, in dem jeder seinen Platz hat, das auf unheimliche Weise beeindruckt, aber zu einer Religion gehört, die zu komplex ist, um sie mit unserem menschlichen Geist zu verstehen. 

Wenn sie dann zusammenkommen, wirken sie wie eineinzigesWesen, auch mal wie ein Baum, der von Winden durchschüttelt wird, deren Intensität uns hier auf Erden fremd ist. Doch diese Einheit währt nicht lange. Schon bald tanzen sie gegeneinander, bis sie beginnen ihre Körper zu modifizieren. Die Metallstangen werden zu Körperteilen. Verlängerungen der Arme, der Beine, wachsen aus den Mündern. Erst freunden sie sich mit diesen neuen Körperteilen an,testen sie neugierig aus, doch schon bald stellt sich die Frage, wer hier eigentlich wen bewegt: die Tanzenden ihre neuen Körpermodifikationen oder umgekehrt? Immer wilder werden die Bewegungen. Die Angst kommt auf, sie könnten sich verletzen – bis sie sich von den Stangen befreien. 

Eine einzige Antwort auf die Frage, wie der Zukunftsmensch sich bewegt, gibt Barros nicht. Stattdessen gibt sie mit verschiedenen Szenarien Denkanstöße. Interessant wäre auch, wieso der Mensch zu dem geworden ist und wie wie man das noch verhindern könnte. Denn fest steht nach „Techno Fauna“: Angenehm wird diese Zukunft nicht.

 

photo: Bettina Stoess

 

 


Frankfurter Allgemeine Zeitung / Nervure, Choreography: Liliana Barros / Melanie Suchy / frankfurt gallus theater
Frankfurter Allgemeine Zeitung

25.02.2020, Nr. 47, S. 34
Aufmerksamkeit
Zwei Solochoreographien von Liliana Barros
 

FRANKFURT. Im Dunkel auf der Bühne ist zunächst nur aufgeregtes Klappern zu hören. Sobald Licht scheint, tackert es aus den Lautsprechern, auf der Bühne ist es still: Da steht, nach hinten gebogen, eine grelle Frau auf Pumps, knallrot wie ihre geschminkten Lippen. Metallisch glänzende Leggins, oben nackte Haut, zwei schwarze Hände auf den Brüsten, wie draufgeklebt. Dieser Flitzebogen wird seine groteske Anspannung fortan nie loswerden. Während im repetitiven Soundschwall von Dictaphone ab und zu Tangoklänge dräuen, giert das Bühnenwesen, verkörpert von Liliana Barros, die das atemberaubende "Nervure" auch choreographiert hat, nach mehr, nach etwas; ob Erleichterung oder noch mehr Erregung, ist nicht auszumachen. Sie biegt und beugt sich, ruckt, schlägt, sinkt, zieht, rotiert, reißt die Augen auf, den Mund, stopft eine Hand hinein, streckt die Arme herab und wellt sie, so schnell, als wolle sie alle Knochen herausschütteln.

Ob frontal, im Profil oder in Rückenansicht, dieser zuweilen puppenhaft sturen Frau, einem Pavlova-Albtraum, geht es ums Aussehen: wie sie ankommt vor den Augen der wohl ebenso gierenden Menge realer oder imaginierter Zuschauer. Sie fächelt mit den Unterarmen, winkt exaltiert, als wolle sie Applaus steigern oder brauche Luft. Was hier das Gleiche ist. Solche hyperaktiven Gesten erinnern an Choreographien von Marco Goecke, die wehrhaften, ungeraden Haltungen an Marie Chouinard. Die Portugiesin Barros hat in Stücken dieser und vieler anderer Künstler getanzt, lange in Marguerite Donlons Ballett in Saarbrücken.

Inzwischen choreographiert die preisgekrönte Tänzerin für Opern und Tanzkompanien, zuletzt in Mannheim "Gaia", das wie der fleischgewordene Traum von einer eigenen, das Verbogene feiernden Ästhetik wirkte, phantasievoll, toll, mit nur kleiner dramaturgischer Schwäche auf längerer Strecke. "Nervure" hatte 2017 Premiere, fuhr einige Preise ein und war vor einem Jahr beim Abend "Solocoreografico" im Gallus-Theater schon einmal zu sehen. Diesmal wird es gepaart mit "Pantera" von 2018, getanzt von der nicht ganz so sprühenden Sara Angius. Sie steckt in gelbem Strick, überm Kopf eine Strumpfhose. Als Referenz an den Panther aus Rilkes Gedicht streicht sie meist am Rand des weißen Tanzbelags auf der Bühne entlang, den Blick nach außen und erst am Ende ins Publikum gerichtet. Sie, es, er schleift ein steifes Bein nach. Humpelt. Oder trippelt auf Füßen, Knien, Hintern, rollt über den Boden, hockt, liegt, krabbelt. Vibriert. Die von Martin Mitterstieler bearbeitete Orchestermusik samt der Sopran-"Vocalise" Rachmaninows scheint den Tiermenschen anzutreiben, zu bedrängen, als versuche sich die Tänzerin am großen Gefühl, das der Sängerin gelingt, und scheitere wieder und wieder. Das bemerkenswerte Gastspiel verdankt sich dem neuen Tanzkurator am Gallus-Theater.


MELANIE SUCHY

photo: Maciej Rusinek
 

 


Choreografin Liliana Barros fasziniert im Mannheimer Ballett / GAIA

© Christian Kleiner

Darmstädter Echo Fern

Choreografin Liliana Barros fasziniert im Mannheimer Ballett

 

Den faszinierenden Auftakt aber besorgt die Portugiesin Liliana Barros mit ihrem ganz und gar staunenswerten Werk „Gaia“.

Der Titel bezieht sich auf die griechische Ur- und Erdgöttin, das Stück zeigt die Schöpfung als unaufhörliche Verwandlung. Am Anfang liegen die Tänzer in Ganzkörperkondomen wie Schaufensterpuppen in einer weiten Bühnenlandschaft mit Felskamm im Hintergrund. Dann regt sich zu Martin Mitter- stielers schmirgelnden, scherbelnden, pulsenden Sounds das erste Leben. Wie sich die zehn Tänzer da amöbig, lurchig und krebsig verkrümmt und verdreht liegend in Bewegung setzen, das ist atemberaubend bizarr.

Denkbar fern von den klassischen Vertikalen des Balletts turnt diese darwinistische Gymnastik der Arten dahin. Im Laufe von dreißig Minuten erhebt sich das, was da kreucht und fleucht zwar auch und formiert sich in Gruppen, doch streift Barros die Menschwerdung eher und deutet noch darüber hinaus.

Individuen kommen zusammen, bilden skulpturale Formationen, synchronisieren ihre Bewegungen, werden als Schwarm angezogen, wieder zurückgesogen und Zerwirbelt. In dieser Entstehungsgeschichte der Arten steckt der Urstoff, aus dem Tanzträume sind. „Gaia“ führt den Zuschauer in eine vermeintlich unbekannte Welt, die einem doch surreal sehr vertraut vorkommt.

Solche Trips bietet das Theater nicht alle Tage. Schon deshalb lohnt der Weg nach Mannheim.

 

 

Von Stefan Benz Erschienen am 27.05.2019

https://www.tanznetz.de/blog/29296/her-mit-der-zukunft

Tanznetz.de

Mannheim

HER MIT DER ZUKUNFT!

Choreografien von Liliana Barros und Stephan Thoss im neuen Mannheimer Tanzabend

Gemeinschaft als Zukunft, Kritik am etablierten Kunstbetrieb - Mannheims Tanzchef stellt einen abwechslungsreichen Abend zusammen.

 

Viel von Mutter Erde hat Liliana Barros nicht übrig gelassen in ihrer nach der griechischen Muttergöttin "Gaia" benannten Choreografie. Selbst der schroffe schwarze Felsen, der die Bühne im Schauspielhaus des Nationaltheaters begrenzt, wirkt seltsam kraftlos. In dieser ebenso unwirklichen wie unwirtlichen Szenerie, nur geprägt durch mal magisches, mal bedrohliches Licht, suchen zehn Aliens ihren Weg in die Zukunft. Die portugiesische Choreografin, die für die Ausstattung ihres Stückes selbst verantwortlich zeichnet, eröffnete mit dieser Uraufführung den zweiteiligen Mannheimer Tanzabend "Evolution".

 

Zehn Aliens aus der fernen Zukunft – in raffinierte hautenge und Haut vorspielende Ganzkörper-Kostüme mit effektvollem Bodyshaping gehüllt – erkunden neue Bewegungsmuster. Von archaischer Quälerei bis zu futuristischen Posen kommt dabei ein Feuerwerk an originellen Bewegungseinfällen zustande. Vom Bewegungsspielraum jedes/r Einzelnen aus entwickelt sich allmählich die gemeinsame Körpersprache der ganzen Gruppe. Bedrohung von außen – emotional gesteuert durch ein effektives Sounddesign von Martin Mitterstieler – zwingt die Wesen aus der Zukunft in eine rettende Gemeinschaft; wie selbstverständlich empfiehlt sich dabei Ballett-Bewegungsvokabular als gemeinsamer Nenner. In akrobatischen, ästhetisch höchst wirkungsvollen Tableaus endet der originelle, faszinierende Blick in die Zukunft, der Anknüpfungspunkte für Assoziationen in jede Richtung bietet.

 

Und mit der Einladung von Liliana Barros – in Saarbrücken gut bekannt, ansonsten eher noch ein Insidertipp – hat der Mannheimer Tanzchef einmal mehr sein gutes Händchen und seine absolute Offenheit für die Wahl talentierter KollegInnen aus dem choreografischen Fach bewiesen. Das Mannheimer Publikum sah das genauso: Jubelschreie für "Gaia", Bravos für die Choreografin.

 

Veröffentlicht am 25.05.2019, von Isabelle von Neumann-Cosel


© Ralph Mohr

(...) Angius wirkt stets wie zum Sprung bereit, doch unsichtbare Hürden machen ihr ausladende Bewegungen unmöglich. Ihre Energie beschränkt sich auf schnelle, in sich verschachtelte Schrittfolgen.

Auch hier fasziniert die eigenwillige Ästhetik der Bewegungssprache. (...)

  Von Kerstin Hergt, 14.12.2018,  Haz.de 


Braunschweig

©Bettina Stoess

Phantastische Reise in einen Fuchskopf

 

»Stark, diese Farben: Türkis die Bühne, die Wände herabhängende Streifen aus Folie. Hellgelb der riesige Fuchskopf, pink der Anzug der Puppe, die auf dem Boden sitzt und schlaff und leblos am Kopf lehnt. Wie unter elektrischen Schlägen erwacht jetzt die Puppe zum Leben: Da hebt sich eine Hand, dort zuckt der Fuß, zappeln die Finger, klimpern die Wimpern. […] Eine ganze Skala von Gefühlen entfaltet Liliana Barros im Tanz um das Plüschtier: sehnsuchtsvoll-zärtlich, glücklich-triumphierend, freudig - verspielt... […]
Liliana Barros tanzt die vielfältigen Facetten ihrer Figur mit feinnerviger Hingabe, besonders brillant das zuckende Erwachen der Puppe. Jede ihrer Bewegung entspringt einem Kraftfeld im Innersten und durchpulst ihren Körper bis in die letzte Faser und Fingerspitze hinein. Abwechslungsreich und ausdrucksvoll ihre Choreographie, phantasievoll und packend das Geschehen auf der Bühne. […] Kleine wie große Zuschauer gingen bis zuletzt gebannt mit. Frenetischer Applaus.«


https://www.saarbruecker-zeitung.de/kultur/sz-kultur/gestatten-liliana-barros-choreografin_aid-24033257

 

Saarbrücken/Braunschweig. Liliana Barros, bis 2017 hier am Staatstheater eine der großen Tänzerinnen, etabliert sich als Choreografin. Dass sie es von Braunschweig aus tut, wo Ex-SST-Intendantin Dagmar Schlingmann Intendantin ist, ist kein Zufall. Von Silvia Buss

 

 

Liliana Barros gehörte zu den bemerkenswertesten Tänzerinnen des Saarbrücker Balletts. Auf der Bühne war stets mehr als eine Tänzerin, sie war auch eine charismatische Persönlichkeit. Die temperamentvolle Portugiesin, die 2006 unter Maggie Donlon nach Saarbrücken kam, sich zwischendurch für zwei Jahre mal Richtung Kanada verabschiedete und 2017 (auch aus privaten Gründen) ohne Festengagement mit der Schlingmann-Truppe nach Braunschweig zog, hatte in ihrer saarländischen Zeit bereits auch als Choreografin gepunktet. Jetzt, mit 37, scheint sie von Braunschweig aus als Choreografin richtig durchzustarten.

 

 Für „Nervure“, eine kurze ekstatische Solotanz-Nummer, die Barros bei der Substanz-Ausgabe Nummer 17 im Juni 2017 in der Alten Feuerwache vorstellte, ist sie vor ein paar Tagen erst wieder prämiert worden. Beim internationalen Choreografie-Festival in Kopenhagen erhielt Barros dafür den Preis für „die beste Performance“ und eine Einladung nach Taiwan. Es war nicht ihre erste Auszeichnung. Seit der Premiere sammelte sie quasi Preise und Einladungen für „Nervure“: nach Turin, Frankfurt, in die Berliner Sophiensaelle, nach Zypern. Für die „Eisfabrik“ Hannover wird Barros eine „Nervure“-Langversion kreieren und dazu eine zweite Solo-Choreografie für eine andere Tänzerin. „Die Eisfabrik war so begeistert, das sie gesagt haben, sie würden meine Arbeit auch in Zukunft gern unterstützen“, erzählt Barros am Telefon. 

„Nervure“ aber ist nur eines unter vielen Projekten, die Barros seit ihrem Abschied von Saarbrücken beschäftigen. Eine polnische Regisseurin, Marta Górnicka, hatte Barros für ihr Regiedebüt „Jedem das Seine. Ein Manifest“ an den Münchner Kammerspielen engagiert, als Tänzerin und Assistentin der Produktion. Górnicka war durch Tanz-Videos im Internet auf Barros aufmerksam geworden. „Sie rief mich an und sagte, so eine Expressivität hätte ich gern in meinem Stück“, erzählt Barros. Auch von Stephan Thoss, dem Ballettintendanten am Nationaltheater Mannheim, erhielt sie einen Anruf. Er entdeckte sie aber nicht zufällig. „Ich habe natürlich, als ich wusste, dass ich selbstständig arbeiten werde, frühzeitig Vorbereitungen getroffen und viele Leute in der Tanzszene kontaktiert“, sagt Barros. Denn Karriere braucht auch Planung. Ihr war klar, dass nicht viele Branchenkenner nach Saarbrücken kommen würden, um sich „My name is Legion“ anzusehen. Diese – ebenfalls formidable – Choreografie für sieben Tänzer hatte Barros 2017 im Auftrag des Staatstheaters für einen Doppelabend mit Stijn Celis kreiert. Also ließ sie neben einem Trailer auch eine Gesamtverfilmung produzieren und verschickte sie gezielt an viele Ballettchefs. Viele hätten sich daraufhin bei ihr gemeldet, was schon erstaunlich genug ist. Doch Thoss lud sie auch gleich ein, einen choreografischen Doppelabend mit ihm zu bestreiten. Das Konzept für ihre Arbeit steht schon, Anfang 2019 beginnen die Proben, im Mai ist Premiere.

 

Zuerst, gesteht die Künstlerin, habe sie die Aussicht, sich in Braunschweig niederzulassen, nicht unbedingt begeistert. Doch als Basislager, stellte sie bald fest, ist der Standort sehr günstig. Ob Berlin, Leipzig, Dresden oder Hamburg –  in ein, zwei Stunden seien viele wichtige Großstädte zu erreichen. Sie habe in nur einem Jahr viele Kollegenarbeiten ansehen können, viele neue Impulse bekommen. Aber auch viel gearbeitet, sagt sie. Wenn sie nicht gerade choreografiert (im eigenen Studio) und neue Konzepte entwickelt oder Förderanträge stellt, gibt Barros Workshops für Laien, unterrichtet Ballett-Compagnien. Noch braucht sie das auch, für den Lebensunterhalt.

Doch auch am Schlingmann-Haus erhält sie künstlerische Aufträge. Für die Oper „La Bohème“ (Premiere 1. Dezember) in der Regie von Ben Bauer macht Barros die Bewegungschoreografie. Und Jörg Wesemüller, der in Saarbrücken das SST-Jugend-Ensemble U23 leitete und in Braunschweig die Jugendtheatersparte, umwarb Barros so lange, bis sie zusagte, ein Solotanzstück fürs Junge Haus zu choreografieren. Die Premiere von „Funkelfuchs“ ist im Oktober.

 


https://www.opus-kulturmagazin.de/saarlaendisches-staatstheater-urauffuehrung-konjetzky_barros-am-samstag-18-februar-2017-19-30-uhr-in-der-alten-feuerwache-choreografien-von-anna-konjetzky-und-liliana-barros/


sAARBRÜCKEN

 

 

Rätsel, Drama, Muskelzucken

 

Von  Silvia Buss, 25. Juni 2017

 

 

photo: Yaiza Dávila Gomez

 

 

(...) Zu den erfahreneren Choreografen gehört auch Liliana Barros, die nach ihrer erfolgreichen Großgruppen-Choreografie „My name ist Legion“ hier nun ein Solo bietet. „Nervure“ ist eine Wucht. Eine ebenso schauspielerische wie tänzerische Glanzleistung. Auf roten Highheels, in Silberleggings und mit ziemlich freiem Oberkörper gibt sie das Nervenbündel, einen Tangojunkie, der zum Rhythmus Electro-Tango abwechselnd zittert, vibriert, wild um sich schlägt und nach „Mehr“ giert. Fast nur auf der Stelle stehend macht die Barros in dieser minimalistischen Choreografie jedes Muskelzucken, jeden Gesichtsausdruck zum Erlebnis. Halb Clown, halb tragische Figur, braucht sie keinerlei Dekor, um wie das Zentralgestirn eines Kosmos zu erscheinen. 

 

https://www.saarbruecker-zeitung.de/kultur/sz-kultur/raetsel-drama-muskelzucken_aid-2404459

 


Luxembourg

Le groupe plutôt que l’individu

«Konjetzky _Barros», chorégraphie nouvelle à Sarrebruck

(...)

«My name is Legion»

Liliana Barros reprend une citation du Nouveau Testament faisant allusion à un homme possédé par des démons (Legion). Il essaie d’être un alors qu’il est multiple. Il est pour Barros une métaphore des mouvements actuels de population, qu’il s’agisse de réfugiés, d’immigrants clandestins; celle-ci est la respiration d’un monde en mouvements désordonnés, car à la recherche d’un nouvel ordre. Contrairement à Konjetzky, à qui cette allusion aux réfugiés colle parfaitement dans sa brutalité (on les imagine enfermés dans des camions frigorifiques évoquant leurs vies d’antan et espérant, espérant), elle est plus difficile à ressentir comme telle dans ce spectacle. C’est que celui-ci a une dimension esthétique (influence revendiquée de Daniel Richter) dont l’autre n’a pas besoin. Les danseurs évoluent dans un cube blanc ouvert vers les spectateurs, des tuyaux en caoutchouc, intrigants, pendent du plafond sans réelle fonction, si ce n’est celle de briser la blancheur et son immobilisme immanent. Les artistes portent des combinaisons aux couleurs claires et fruitées, et plus tard des cagoules dans les mêmes tons, les différences physiques entre homme et femme s’estompent, ici aussi c’est le groupe qui prend formes, agglomération et séparation, rester ou partir. L’ensemble cependant reste plus classique, car un être apparaît (Louiza Avraam) qui maîtrise les membres du groupe, qui se rendent au son d’un orgue puissant (Martin Mitterstieler).

Anna Konjetzky refuse la narration, Liliana Barros la revendique en partie. Deux points de vue qui font de ces chorégraphies deux versants d’une analyse socio-esthétique d’un monde déchaîné. On est loin de l’art pour l’art et c’est une vraie libération!

Dominique-Marie van de Kerckhove

28.03.17

http://jeudi.lu/le-groupe-plutot-que-lindividu-konjetzky-_barros-choregraphie-nouvelle-a-sarrebruck/


SAARBRÜCKEN
Von Anziehung und Abstoßung
14. Februar 2017, 02:00 Uhr

photo credit: Bettina Stoess

Am Samstag hat ein zweiteiliger Ballettabend in Saarbrücken Premiere: mit einer Choreografie der Staatstheater-Tänzerin Liliana Barros und einem Stück der Münchener Choreografin Anna Konjetzky.

Wer am liebsten mit dem Körper spricht, hat es manchmal schwer, die richtigen Worte für die eigene choreografische Arbeit zu finden. Und so ringen Anna Konjetzky und Liliana Barros im Gespräch erstmal um die passenden Ausdrücke für ihre abstrakt-zeitgenössischen Tanzstücke, die sie am Samstag in Saarbrücken vorstellen werden.

„My name is legion“ nennt Barros ihre Choreografie, mit der sie eine Visitenkarte abgeben will für eine zukünftige Laufbahn als Choreografin. Zum Ende der Spielzeit wird der Publikumsliebling das Saarbrücker Ballett nach zehn Jahren (mit kurzer Unterbrechung) verlassen und frei arbeiten als Tänzerin. Vor allem aber möchte sie ihre choreografische Arbeit ausbauen, mit der sie in Saarbrücken bereits bei vielen „SubsTanz“-Abenden begeistern konnte. „Mein Name ist Legion, denn wir sind viele“ ist ein Zitat aus dem Markusevangelium. Von Jesus gefragt, wer er sei, antwortet so der von einem Dämon besessene Mensch. Legion also ist demnach der Name eines Dämons, der in vielerlei Gestalt auftritt.

Das griechische Wort „Legion“ bedeutet eine Anzahl, eine Menge – und ist bekanntlich auch ein militärischer Begriff. „Man kann also viele Assoziationen haben, bei diesem Titel“, sagt Barros. In ihrem Stück geht es um gruppendynamische Fragen: Wie bewegt und verhält sich das Individuum in und zur Gruppe? Welche Instinkte/Dämonen leiten den Menschen? Bewegt er sich sich wie ein Tier in der Herde? Wie ein Soldat in seiner Einheit? Wohin treibt es ihn, wo ist sein Platz? Was heißt Migration? „Die acht Tänzer werden viel miteinander interagieren, als Gruppe, als Menschenknäuel“, sagt Barros. Eine weitere Quelle der Inspiration: Die jüngsten Bilder Daniel Richters, die Barros 2016 in dessen Frankfurter Ausstellung tief berührt hätten. In den sehr reduzierten Arbeiten liege der Fokus auf Körper und Körperlichkeit. Körperteile und Gesichtsformen sind collageartig verflochten, es geht eine enorme Spannung von den Bildern aus. „Man assoziiert unbändige Sexualität, man sieht Anziehung und Abstoßung gleichermaßen“, sagt Barros. Zugleich könne man Richters abstrakte, ineinander verflochtene Körperkonturen auch als Landkarte lesen. Wo verlaufen die Grenzen? Barros setzt ihr Thema zu elektronischer Musik um.

Wie bei Liliana Barros stehen Fragen des Zusammenlebens, der Interaktion, im Vordergrund, weniger das Innenleben Einzelner. 

Samstag, 19.30 Uhr, Alte Feuerwache. Karten unter Tel. (06 81) 30 92 486.

http://www.saarbruecker-zeitung.de/kultur/sz-kultur/art449429,6379060



SAARBRÜCKEN

 

Große Gefühle, tiefe Gedanken

von Esther Brenner, 28. Juni 2016

 

photo credit: Bettina Stoess

 

(...) Überhaupt war es Liliana Barros's Abend, die als Multitalent aus dem in Ganzen hervorragenden Ensemble hervorsticht. Er gipfelte in ihrem Stück "Collider/ Vainglory", zu gleich Höhepunkt und ende des langen Ballettabends. Sechs Tänzerinnen und Tänzer in goldenen Kostümen bewegen sich zu pulsierenden Beats mechanisch über die Bühne. Sie wirken wie androgyne Wesen in Trance. Barros, die in den vergangenen Jahren bereits einige erfolgreiche Choreographien Zeigte, entwickelt hier ein vielschichtiges Tanzstück, in dem sich immer wieder Paare zu Pas de deux lösen, die Tänzer ansonsten aber weitgehend isoliert agieren. Man assoziiert einen Laufsteg, mehr Schein als Sein, Glitter und Glamour. Großem Wert legt die Choreographin auf die Mimik ihrer Tänzerinnen und Tänzer: Hier gibt es nichts zu lachen, alles wirkt künstlich, affektiert, entmenschlicht. Am ende verharrt das Ensemble im Goldregen. Mit dieser vielversprechender Choreographie empfiehlt sich Liliana Barros für die kommende Saison: Sie wurde beauftragt, ein Stück für einem mehrteiligen Abend zu Kreieren. (...)

 

 

https://www.pressreader.com/germany/saarbruecker-zeitung/20160628/281900182516315


SAARBRÜCKEN

 

Tanz oder: Lass dich überraschen

von Cathrin Elss-Seringhaus, 14. Juni 2010

 

 

(...) Und der stärkste, reifste Beitrag? Den lieferte Liliana Barros mit " CLARITAS". Jawohl, es ist ein "gefälliges" Stück, ein leicht zugängliches Kurz-Märchen nach dem Muster  "Die Schöne und das Biest" in exquisiter Rokoko-Kulisse. Dort trifft eine eitle, attraktive Lichtgestalt ( Melanie Schaffer) auf ihr animalisch-staksiges Gegenstück ( Meritxell A. Molinero). Beide stehen in optisch berückenden Korsagen und Tütüs, zwei Fabelwesen, in Rivalität vereint. Man darf Über das Spiegel- und Zwillingsmotiv ebenso nachdenken wie über ästhetische Theorien: Die Kunst hat die Macht, hässlich Dinge schön erscheinen zu lassen- und umgekehrt. Mit diesem Bonbon hatte der kurzweilige Fünfteiliger Abend begonnen. (...)